Das Problemfeld

Seit Anfang 2020 ist das Home Schooling in Deutschland ein Thema. Leider erst seit 2020. Unser unmodernes Bildungssystem – die Ergebnisse der PISA Studie belegen dies leider immer wieder -, bei dem man sich auf Regierungsebene zwar mit Kollegen wie denen aus Estland oder Finnland (die uns um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte voraus sind) bespricht, aber sich weigert, von Ihnen auch nur ein µ [myː] zu lernen, wurde von der Realität kalt erwischt. Infrastruktur in den Schulen, technische Ausstattung für Schüler*innen, fachliche Qualifikation der Lehrkräfte oder gar Breitband-Internet für alle Haushalte – alles Fehlanzeige.

Die Schulen waren selbstverständlich nicht auf Situationen wie Corona vorbereitet. Das kann aber auch nicht der Anspruch an die einzelne Schule sein; dafür sind die Kultusminister der Ländern und die Schulträger zuständig. Und diese haben für jeden sichtbar im Frühjahr 2020 nach dem Prinzip Hoffnung gearbeitet. Hoffnung, dass Corona, wie von einem ehemaligen amerikanischen Präsidenten prophezeit, mit steigenden Temperaturen „magically disappears“ und nie wiederkommt. Das war dann bekanntermaßen nicht so. Dass nahezu alle ernstzunehmenden Wissenschaftler vor dieser überzogenen Erwartungshaltung gewarnt hatten – sei’s drum.

In der Zwischenzeit wurden die Schulen komplett sich selbst überlassen. Und haben verständlicherweise nach Lösungen gesucht. Professionelle Unterstützung war anscheinend nicht zu bekommen und so wurde laienhaft gebastelt. Kein Wunder, dass dabei auf die Produkte und Dienste zurückgegriffen wird, „die man so kennt“. Erst einmal alles von Microsoft. Wird schon passen. Es ist der Weg des geringsten Widerstands und den geht man an Schulen offenbar gern.

Nicht zu unterschätzen ist zudem die massive Unkenntnis der Eltern. Fast jeder hat einen Windows-PC. Sogar die, die Bill Gates gern als Weltverschwörer beschreiben. Hierdurch sieht man (wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann) bei mahnenden Worten potenziell fachkundiger Menschen zum Thema Informationssicherheit und Schutz der personenbezogenen (biometrischen) Daten von Minderjährigen gern mal die Diktatur herannahen, überzieht die bösen „Querulanten“ mit gezielt gesteuerten Mobbingkampagnen und bemerkt in der Aufregung nicht, dass deren Mahnung nur dem eigenen Interesse der so erbosten Eltern am Schutz ihrer Sprösslinge dienlich war und man nun das exakte Gegenteil bewirkt. 

Aufgaben der Schule(n)

Jetzt ist es in unserer Zeit aber nicht (mehr) die Aufgabe von Schulen, Weisungsempfänger und Mitarbeiter für die Industrie auszubilden und daher das aktuell marktführende Produkt als die alleinige Wahrheit zu proklamieren.

Es ist eine wesentliche Aufgabe der Schulen, Kindern und Jugendlichen Digitalkompetenz zu vermitteln. Ganz konkret geht es eben NICHT darum, den Schüler*innen ein Produkt nahezubringen, sondern es müssen grundsätzliche Fertigkeiten vermittelt werden und vor allem die Fähigkeit, Technologie mündig und kompetent zu nutzen.

Denn mit welchem Recht werden Jugendliche ein eine bestimmte Richtung gedrängt, die in der Folge dazu führt, dass sie beruflich wie auch privat nur die Produktpalette eines bestimmten Herstellers ohne Schwierigkeiten nutzen können?

Das ist nicht Bildung, das ist Werbung und Vertriebsmethodik von Herstellern mit willfähriger und kostenfreier Vertriebshilfe durch die Schulen.

Für Unternehmen wie Microsoft, Apple oder Google sind diese Methoden höchst erfolgreich. Für die Schüler*innen auf lange Sicht nicht nur einschränkend, sondern auch teuer. Denn entweder müssen sie sich später die in der Schule nicht vermittelten notwendigen Kompetenzen gesondert erwerben oder sind in der Produktwelt der großen Hersteller „gefangen“, in der sie für (durchaus auch gute) Produkte und Funktionen zahlen, die sie im Normalfall aber gar nicht brauchen.

Warum denn nicht freie Software?

Freie Software ist die Alternative, die immer wieder (aus Bequemlichkeit?) ignoriert wird. Warum eigentlich? Mit Hilfe freier Software können genau das Wissen und die Fertigkeiten vermittelt werden, auf die es ankommt. Wer mit freier Software umgehen kann, wird sich immer leicht tun, auch kommerzielle Produkte anzuwenden (umgekehrt ist das oft fraglich oder zumindest mit deutlichen Hürden verbunden).

Es gibt nicht das Argument, dass freie Software weniger Funktionalitäten bietet als kommerzielle Produkte.

  • Freie (quelloffene) Software ist durch fachkundige Menschen in der Community prüfbar. Insbesondere in Punkto Datenschutz ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
  • Durch Community-Unterstützung ist zudem eine schnelle Behebung eventueller Fehler möglich,
  • Freie Softwarepakete können durch viele Add-Ons an den individuellen Bedarf angepasst werden. Oft kostenfrei. So können mit minimalem Aufwand gleiche Arbeitsgrundlagen für alle geschaffen werden.
  • Freie Software bedeutet gleiche Chancen für alle. Für viele Elternhäuser ist die Anschaffung kommerzieller IT-Produkte eine echte finanzielle Herausforderung. Freie Software kann Schüler*innen i.d.R. kostenfrei bereitgestellt werden.

Ist freie Software immer kostenlos?

Nein, nicht immer (aber – zumindest für die Endnutzer – sehr oft). Auch die Entwickler und Betreiber freier Softwarelösungen müssen leben. In den meisten Fällen ist die Nutzung freier Software zumindest im nicht-kommerziellen Bereich kostenfrei.

Jetzt mal konkret: Was soll man denn nutzen?

Die korrekte Antwort ist hier wie so oft „Es kommt darauf an“. Hier meine persönliche (aber sicher unvollständige) Empfehlungsliste:

Betriebssystem:

Linux. Wer mit Linux umgehen kann, wird auch in der Lage sein, völlig problemlos mit Windows oder MacOS zu arbeiten. Linux-Distributionen sind in der Regel kostenfrei erhältlich. Hinzu kommt, dass man Linux durchaus auch auf älterer Hardware betreiben kann. Gerade in Corona-Zeiten, wo Preise für Notebooks gen Himmel schießen, ein nicht zu unterschätzendes Argument. Hier ein schöner Artikel über die 10 beliebtesten Distributionen.

Ich persönlich habe gute Erfahrungen mit Manjaro Linux gemacht. Leider ist die Website nur Englisch, obwohl das Team im schönen Bayern zu Hause ist. Und ganz ehrlich: Linux-Oberflächen sind mittlerweile extrem schick. Eine sehr schöne Alternative ist Linux Mint. Einfach auf einen USB Stick ziehen, installieren, fertig. Denn schließlich wollen wir schnell arbeiten, ohne uns zunächst mit der Technik herumzuschlagen.

Tools

Es muss eben nicht immer Microsoft sein. LibreOffice is eine vollwertige Office-Alternative. Und gratis. Ebenfalls kostenlos nutzbar sind die Desktop Apps von OnlyOffice. Diese sind schon rein optisch von Microsoft Office kaum zu unterscheiden.

Die Bildbearbeitung mit Gimp ist schon seit vielen Jahren längst kein Geheimtipp mehr.

Umfragen kann man mit Nuudel von Digitalcourage oder Dudle von der TU Dresden leicht und datenschutzfreundlich erstellen.

Als Collaboration-Tool und Netzwerkspeicher ist Nextcloud sehr zu empfehlen. Hierin sind bei Bedarf auch Tools wie Office-Anwendungen, Mail, Chat, Kalender und Videokonferenzen direkt integrierbar. Besonders zu nennen ist hier auch die Möglichkeit, ausgefeilte Benutzer- und Gruppenkonzepte zu gestalten.

Videokonferenzen sind mit BigBlueButton zu realisieren. Abhängig von der Anzahl der Nutzer und dem vor Ort vorhandenen Know-How sollten hier allerdings auch kommerzielle Hosting-Angebote geprüft werden – entscheidend ist hier vor allem die Möglichkeit zum sicheren und datenschutzfreundlichen Betrieb.

Videocontent kann man über PeerTube veröffentlichen.

Ohne E-Mail geht es nicht. mailbox.org ist einer der sichersten E-Mail-Provider auf dem Markt. Das Unternehmen stattet beispielsweise alle Lehrkräfte der Länder Thüringen und Berlin mit sicheren E-Mail-Konten aus. Der Anbieter integriert zudem eine XMPP-Chatfunktion in seine Anwendung.

Chat-Funktionalität ist wichtig. Beispielsweise über XMPP (auch bekannt unter „Jabber“) und integrierbar in Nextcloud oder auch in mailbox.org verfügbar; siehe oben. Jedoch aus Sicht des Betriebs und der Verfügbarkeit ist Threema die aus meiner Sicht definitiv zu bevorzugende Lösung, dicht gefolgt von Signal. Mike Kuketz hat hierzu eine sehr informative Messenger-Vergleichsmatrix erstellt.

Fazit

Die ausschließliche oder bevorzugte Nutzung von marktführenden Software- oder IT-Produkten in Schulen mag bequem sein. Es wird etwas „mundgerecht serviert“, ohne dass man sich selbst damit beschäftigen muss. Aber lehren wir nicht unseren Kindern, dass Erfolg eben mit Arbeit verbunden ist? Wenn man will, dass etwas gut wird, ist es unvermeidlich, sich damit zu beschäftigen.

Die unkritische (und dazu datenschutzseitig teilweise fragwürdige) Platzierung von kommerziellen Softwarelösungen an Schulen erweist dem Bildungsauftrag einen Bärendienst. So kann man vielleicht brave Mitarbeiter für Großunternehmen ausbilden, nicht aber mündige, digitalkompetente junge Menschen.

Zudem gibt es fachlich wirklich gar keinen Grund für eine derartige Politik (mit Ausnahme vielleicht der Macht des Faktischen, dass Digitalkompetenz schon und gerade bei den für den Betrieb der IT verantwortlichen Stellen – namentlich Schulträgern und auch Schulen –  offenbar massive Lücken aufweist).

Es ist also sowohl für Schüler*innen, deren Eltern wie auch für Lehrkräfte, die sich mit dem Thema befassen, durchaus sinnvoll und lohnend, Aktivitäten zu hinterfragen und idealerweise natürlich aktiv auf bessere Lösungen hinzuwirken.

Sprechen wir miteinander!

Haben Sie Fragen zu Digitalisierung oder Datenschutz für Ihr Unternehmen? Sind Sie Projektverantwortlicher oder betrieblicher Datenschutzbeauftragter und möchten mit einem Sparrings-Partner auf Augenhöhe diskutieren? Und das Ganze am Besten ohne Panikmache und mit einem gesunden Schuss Pragmatismus? Dann sollten wir miteinander sprechen.

Der Autor

Falk Schmidt ist Projektberater für digitale Geschäftsprozesse sowie zertifizierter Datenschutzbeauftragter und Datenschutz-Auditor. Als Lehrbeauftragter an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) vermittelt er Datenschutz-Themen an Studenten.

Die hier erscheinenden Artikel illustrieren seine private und/oder berufliche Meinung, stellen jedoch keine Rechtsberatung im Sinne des RDG dar.